Ritter Toggenburg

D 397 Nachlass

Friedrich von Schiller 1759 - 1805

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Alexander Fleischer - Klavier

Aufnahme: Donnerstag, 02. November 2023 | Hirschberg

Liedtext

»Ritter, treue Schwesterliebe
  Widmet Euch dieß Herz,
[Fodert{Schubert: Fordert}] keine andre Liebe,
  Denn es macht mir Schmerz.
Ruhig mag ich Euch erscheinen,
  Ruhig gehen sehn.
Eurer Augen stilles Weinen
  Kann ich nicht verstehn.«

Und er hörts mit stummem Harme,
  Reißt sich blutend los,
Preßt sie heftig in die Arme,
  Schwingt sich auf sein Roß,
Schickt zu seinen Mannen allen
  In dem Lande Schweiz,
Nach dem heil'gen Grab sie wallen,
  Auf der Brust das Kreuz.

Große Thaten dort geschehen
  Durch der Helden Arm,
Ihres Helmes Büsche wehen
  In der Feinde Schwarm,
Und des Toggenburgers Nahme
  Schreckt den Muselmann,
Doch das Herz von seinem Grame
  Nicht genesen kann.

Und ein Jahr hat er's getragen,
  Trägt's nicht länger mehr,
Ruhe kann er nicht erjagen,
  Und verläßt das Heer,
Sieht ein Schiff an Joppe's Strande,
  Das die Segel bläht,
Schiffet heim zum theuren Lande,
  Wo ihr Athem weht. 

Und an ihres Schlosses Pforte
  Klopft der Pilger an,
Ach! und mit dem Donnerworte
  Wird sie aufgethan:
»Die Ihr suchet, trägt den Schleier,
  Ist des Himmels Braut,
Gestern war des Tages Feier,
  Der sie Gott getraut.«

Da verlässet er auf immer
  Seiner Väter Schloß,
Seine Waffen sieht er nimmer,
  Noch sein treues Roß,
Von der Toggenburg hernieder
  Steigt er unbekannt,
Denn es deckt die [edeln{Schubert: edeln}] Glieder
  Härenes Gewand.

Und erbaut sich eine Hütte
  Jener Gegend nah,
Wo das Kloster aus der Mitte
  Düstrer Linden sah;
Harrend von des Morgens Lichte
  Bis [zu Abends Schein{Schubert: zum Abendschein}],
Stille Hoffnung im Gesichte,
  Saß er da allein.

Blickte nach dem Kloster drüben,
  Blickte Stundenlang
Nach dem Fenster seiner Lieben,
  Bis das Fenster klang,
Bis die Liebliche sich zeigte,
  Bis das theure Bild
Sich ins Thal herunter neigte,
  Ruhig, engelmild.  

Und dann legt er froh sich nieder,
  Schlief getröstet ein,
Still sich freuend, wenn es wieder
  Morgen würde seyn.
Und so saß er viele Tage,
  Saß viel Jahre lang,
Harrend ohne Schmerz und Klage,
  Bis das Fenster klang.

Bis die Liebliche sich zeigte,
  Bis das theure Bild
Sich ins Thal herunter neigte,
  Ruhig, engelmild.
Und so saß er, eine Leiche,
  Eines Morgens da,
Nach dem Fenster noch das bleiche
  Stille Antlitz sah.

Friedrich von Schiller
Ölgemälde ca. 1794 Ludovike Simanowiz
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Das Gedicht Ritter Toggenburg von Friedrich von Schiller wurde veröffentlicht im Jahr 1798 in Musen-Almanach für das Jahr 1798, herausgegeben von Schiller. Tübingen, in der J.G.Cottaischen Buchhandlung. Es findet sich auf Seite 105ff..

Digitalisat online

Weitere Veröffentlichungen:

Gedichte von Friederich Schiller, Erster Theil. Zweite von neuem durchgesehene Auflage. Leipzig, bei Siegfried Lebrecht Crusius, 1804, Seite 73ff.

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Zur Musik

Komponiert: 13. März 1816
Veröffentlichung (angezeigt): 29. Oktober 1832
Originaltonart:  F - Dur
Liedform: Kantate
Aufnahmetonart:  D - Dur
Schuberts Wohnort 1816

Schubert und Schiller sind sich nie begegnet, denn Schubert war erst 8 Jahre und 3 Monate alt, als Schiller starb. Dennoch prägten die Ideale Schillers auf vielfältige Weise Schuberts Entwicklung zu einem genialen Tonsetzer und inspirierten ihn immer wieder zu Vertonungen.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert fast 40 Texte von Schiller in Musik fasste. Dazu zählen die ersten uns bekannten Vertonungen ebenso wie einige der letzten, die er schrieb.
Zählt man alle Fragmente und Entwürfe zusammen, die heute laut Deutschverzeichnis bekannt sind, so kommt man auf nicht weniger als 77 Werke, die uns vorliegen. Die meisten entstanden in der Jugend Schuberts. Allein 66 Kompositionen in der Zeit zwischen 1811 und 1817. In dieser Zeit war Schubert zwischen 14 und 20 Jahre alt. Darunter finden sich so herrliche Stücke wie Gruppe aus dem Tartarus, Der Taucher, Sehnsucht, Die Götter Griechenlands oder Der Pilgrim.

Schubert schrieb am  31. März 1824 einen Brief an Leopold Kupelwieser, der zu dieser Zeit eine Reise nach Italien unternahm. Vielleicht entspringt das folgende Zitat aus diesem Brief der frühen Begeisterung Schuberts und seines Freundeskreises für Schillers Ideen zu ästhetischen Erziehung des Menschen.

Eine Schönheit soll den Menschen durch das ganze Leben begeistern – wahr ist es – doch soll der Schimmer dieser Begeisterung alles andere erhellen. 2.1

Ritter Toggenburg schrieb Schubert mit 17 Jahren. Er orientierte sich an der gleichnamigen Vertonung von Zumsteeg. Eine Abschrift dieser Vertonung findet sich auf dem Manuskript zum Streichquartett Streichquartett (B-Dur) 1814 -> Link

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Die Veröffentlichung besorgte 1832 A. Diabelli & Co. in Wien als Nachlass - 19 | Verlagsnummer 4267

Johann Rudolf Zumsteeg Ritter Toggenburg

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 04 № 191
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 10

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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