Der Knabe in der Wiege

Erste Fassung

D 579 Nachlass 1872

Anton Ottenwalt 1789 - 1845

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Holger Berndsen - Klavier

Aufnahme: Samstag, 26. August 2023 | Nürnberg

Liedtext

Er schläft so süß, der Mutter Blicke hangen
An ihres Lieblings leisem Athemzug,
Den sie mit stillem sehnsuchtsvollen Bangen
So lange unterm Herzen trug.

Sie sieht so froh die [vollen{Schubert: holden}] Wangen [glühen{Schubert: glühn}]
In gelbe Ringellocken halb versteckt,
Und will das Ärmchen [sanft{Schubert: leis}] [herunterziehen{Schubert: herunter ziehn}],
Das sich im Schlummer ausgestreckt.

Und leis' und leiser schaukelt sie die Wiege
Und singt den kleinen Schläfer leis' in Ruh;
Ein Lächeln spielet um die holden Züge,
Doch bleibt das Auge friedlich zu.

Erwachst du Kleiner, o so lächle wieder,
Und schau ihr hell ins Mutterangesicht:
So lauter Liebe schaut es auf Dich nieder,
Noch kennest du die Liebe nicht.

Bald aber lernst du sie aus ihren Blicken,
Aus ihrem Herzen, wenn es sanft bewegt
Von mütterlichem volleren Entzücken
An deinem kleinen Herzen schlägt.
 
Und lernest Sprache zu des Herzens Triebe,
Zuerst mit Stammeln nur den Mutterlaut,
Und bald noch manches süße Wort der Liebe,
Und wirst den deinen so vertraut.
 
Und lernst den theuren Vater auch erkennen,
Und eilst ihm zu von deiner Mutter Brust,
Und lernst die Dinge scheiden und benennen,
Und fühlst des Denkens neue Lust.
 
Und lernest beten aus der Mutter Munde
Nach ihres Herzens kindlich frommem Sinn,
Es weiset dir in stiller Abendstunde
Der Vater nach den Sternen hin;
 
Dort, wo der Vater aller Menschen wohnet,
Der dich, und alle seine Kinder liebt,
Der alles Gute väterlich belohnet,
Und jedem seine Freude gibt.
 
Da wandelst du so rein und froh auf Erden,
Dein Herz so gläubig und so gut und weich!
So bleibe, Holder, willst du glücklich werden,
Denn solcher ist das Himmelreich.

Zum Text

Das Gedicht Der Knabe in der Wiege von Anton Ottenwalt wurde veröffentlicht im Jahr 1817 in Abendunterhaltungen für den Winter. Wien bey Carl Gerold. Es findet sich auf Seite 248f..

Digitalisat online

Zur Musik

Komponiert: 1817
Veröffentlichung (angezeigt): 1872
Originaltonart:  C - Dur
Liedform: Strophenlied
Aufnahmetonart:  As - Dur
Schuberts Wohnort 1817

Schubert und Ottenwalt begegneten sich 1819, als Schubert zum ersten Mal nach Linz reiste. In diesem Zusammenhang muss Ottenwalt auch zum ersten Mal sein Wiegenlied in Schuberts Vertonung gehört haben.

Ottenwalt war ein Bewunderer Schuberts und mit Joseph von Spaun und Johann Mayrhofer befreundet.

Schubert vertonte nur das Wiegenlied von Ottenwalt. Er unterlegte nur die erste Strophe, setzte aber Wiederholungszeichen, sodass man davon ausgehen kann, dass er auch die anderen Strophen gesungen haben wollte. Die Textverteilung der Strophen indes ist etwas kniffelig und von Gotthard nicht gut gelöst. Wir haben uns deshalb entschlossen, eine eigene Fassung zu erstellen und aufzunehmen, die auf die Besonderheiten des Textes Rücksicht nimmt.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Bibliothèque nationale de France

Die Veröffentlichung besorgte 1872 J. P. Gotthard in Wien als Nachlass 1872 - 16 | Verlagsnummer 342

Neueste Folge nachgelassener Lieder und Gesänge von Franz Schubert

Johann Peter Gotthard schrieb folgende Worte zu seiner Veröffentlichung:

Zur Veröffentlichung

Deckblatt 4.1

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 05 № 335
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 11

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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