Der Jüngling am Bache

Zweite Bearbeitung

D 192

Friedrich von Schiller 1759 - 1805

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Alexander Fleischer - Klavier

Aufnahme: Montag, 15. Juni 2020 | Hirschberg

Liedtext

An der Quelle saß der Knabe,
Blumen wand er sich zum Kranz,
Und er sah sie fortgerissen,
Treiben in der Wellen Tanz.
Und so fliehen meine Tage
Wie die Quelle rastlos hin!
Und so bleichet meine Jugend,
Wie die Kränze schnell verblühn!

Fraget nicht, warum ich traure
In des Lebens Blüthenzeit!
Alles freuet sich und hoffet,
Wenn der Frühling sich erneut.
Aber diese tausend Stimmen
Der erwachenden Natur
Wecken in dem tiefen Busen
Mir den schweren Kummer nur.

Was soll mir die Freude frommen,
Die der schöne Lenz mir beut?
Eine nur ists, die ich suche,
Sie ist nah und ewig weit.
Sehnend breit' ich meine Arme
Nach dem theuren Schattenbild,
Ach, ich kann es nicht erreichen,
Und das Herz bleibt ungestillt!

Komm herab, du schöne Holde,
Und verlaß dein stolzes Schloß!
Blumen, die der Lenz geboren,
Streu ich dir in deinen Schoß.
Horch, der Hain erschallt von Liedern,
Und die Quelle rieselt klar!
Raum ist in der kleinsten Hütte
Für ein glücklich liebend Paar.

Gedichte 1808

Friedrich von Schiller
Ölgemälde ca. 1794 Ludovike Simanowiz
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Schiller verfasste sein Gedicht im Jahr 1803.

Das Gedicht Der Jüngling am Bache von Friedrich von Schiller wurde veröffentlicht im Jahr 1808 in Gedichte von Friedrich Schiller Zweiter Theil Dritte von neuem durchgesehene Auflage Mit einem Kupfer Mit Königl Sächsisch allergnäd Privilegio Leipzig, 1808 bei Sieg- fried Lebrecht Crusius. Es findet sich auf Seite 338f..

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Weitere Veröffentlichungen:

Friedrich von Schiller’s Gedichte Zweyter Theil Wien, 1816 Bey Chr Kaulfuß und C Armbruster Gedruckt bey Anton Strauß, 1816, Seite 19

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Zur Musik

Komponiert: 15. Mai 1815
Veröffentlichung (angezeigt): 6. August 1827
Originaltonart:  f - moll
Liedform: Strophenlied
Aufnahmetonart:  d - moll
Schuberts Wohnort 1815

Schubert und Schiller sind sich nie begegnet, denn Schubert war erst 8 Jahre und 3 Monate alt, als Schiller starb. Dennoch prägten die Ideale Schillers auf vielfältige Weise Schuberts Entwicklung zu einem genialen Tonsetzer und inspirierten ihn immer wieder zu Vertonungen.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert fast 40 Texte von Schiller in Musik fasste. Dazu zählen die ersten uns bekannten Vertonungen ebenso wie einige der letzten, die er schrieb.
Zählt man alle Fragmente und Entwürfe zusammen, die heute laut Deutschverzeichnis bekannt sind, so kommt man auf nicht weniger als 77 Werke, die uns vorliegen. Die meisten entstanden in der Jugend Schuberts. Allein 66 Kompositionen in der Zeit zwischen 1811 und 1817. In dieser Zeit war Schubert zwischen 14 und 20 Jahre alt. Darunter finden sich so herrliche Stücke wie Gruppe aus dem Tartarus, Der Taucher, Sehnsucht, Die Götter Griechenlands oder Der Pilgrim.

Schubert schrieb am  31. März 1824 einen Brief an Leopold Kupelwieser, der zu dieser Zeit eine Reise nach Italien unternahm. Vielleicht entspringt das folgende Zitat aus diesem Brief der frühen Begeisterung Schuberts und seines Freundeskreises für Schillers Ideen zu ästhetischen Erziehung des Menschen.

Eine Schönheit soll den Menschen durch das ganze Leben begeistern – wahr ist es – doch soll der Schimmer dieser Begeisterung alles andere erhellen. 2.1

Die vorliegende Vertonung schrieb Schubert im Alter von 18 Jahren. Insgesamt vertonte Schubert diesen Text dreimal als Lied.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Wienbibliothek im Rathaus der Stadt Wien

Die Veröffentlichung besorgte 1827 Max Friedlaender (C.F.Peters) in Leipzig als Opus 1887 - 40

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Friedlaender Edition 4.1

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 02 № 68
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 04
Friedlaender Edition  Bd. 2 » 158

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