Der Alpenjäger

Zweite Fassung

D 588 Opus 37 - 2

Friedrich von Schiller 1759 - 1805

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Holger Berndsen - Klavier

Aufnahme: Samstag, 26. August 2023 | Nürnberg

Liedtext

Willst du nicht das Lämmlein hüten?
Lämmlein ist so fromm und sanft,
Nährt sich von des Grases Blüthen,
Spielend an des Baches Ranft?
»Mutter, Mutter, laß mich gehen
Jagen nach den Berges Höhen!«

Willst du nicht die Heerde locken
Mit des Hornes munterm Klang?
Lieblich tönt der Schall der Glocken
In des Waldes Lustgesang.
»Mutter, Mutter, laß mich gehen
Schweifen auf den wilden Höhen!«

Willst du nicht der Blümlein warten,
Die im Beete freundlich stehn?
Draußen ladet dich kein Garten,
Wild ist's auf den wilden Höh'n!
»Laß die Blümlein, laß sie blühen,
Mutter, Mutter, laß mich ziehen!«

Und der Knabe ging zu jagen,
Und es treibt und reißt ihn fort,
Rastlos fort mit blindem Wagen
An des Berges finstern Ort;
Vor ihm her mit Windesschnelle
Flieht die zitternde Gazelle.

Auf der Felsen nackte Rippen
Klettert Sie mit leichtem Schwung,
Durch den Riß geborstner Klippen
Trägt sie der gewagte Sprung,
Aber hinter ihr verwogen,
Folgt er mit dem Todesbogen.

Jetzo auf den schroffen Zinken
Hängt sie, auf dem höchsten Grat,
Wo die Felsen jäh versinken,
Und verschwunden ist der Pfad.
Unter sich die steile Höhe,
Hinter sich des Feindes Nähe.

Mit des Jammers stummen Blicken
Fleht sie zu dem harten Mann,
Fleht umsonst, denn loszudrücken
Legt er schon den Bogen an.
Plötzlich aus der Felsenspalte
Tritt der Geist, der Bergesalte.

Und mit seinen Götterhänden
Schützt er das gequälte Thier:
»Musst du Tod und Jammer senden,«
Ruft er, »bis herauf zu mir?
Raum für alle hat die Erde,
Was verfolgst du meine Heerde?«

Gedichte Zweiter Theil 1805

Friedrich von Schiller
Ölgemälde ca. 1794 Ludovike Simanowiz
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Das Gedicht Der Alpenjäger von Friedrich von Schiller wurde veröffentlicht im Jahr 1805 in Taschenbuch zum geselligen Vergnügen. Funfzehnter Jahrgang. 1805. Herausgegeben von W. G. Becker. Leipzig, bei Christian Adolph Hempel. Es findet sich auf Seite 279f..

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Weitere Veröffentlichungen:

Gedichte von Friederich Schiller, Zweiter Theil, Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage, Leipzig, 1805, bei Siegfried Lebrecht Crusius, 1805, Seite 335ff.

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Zur Musik

Komponiert: Oktober 1817
Veröffentlichung (angezeigt): 28. Februar 1825
Originaltonart:  Es - Dur
Liedform: durchkomponiert
Aufnahmetonart:  B - Dur
Schuberts Wohnort 1817

Schubert und Schiller sind sich nie begegnet, denn Schubert war erst 8 Jahre und 3 Monate alt, als Schiller starb. Dennoch prägten die Ideale Schillers auf vielfältige Weise Schuberts Entwicklung zu einem genialen Tonsetzer und inspirierten ihn immer wieder zu Vertonungen.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert fast 40 Texte von Schiller in Musik fasste. Dazu zählen die ersten uns bekannten Vertonungen ebenso wie einige der letzten, die er schrieb.
Zählt man alle Fragmente und Entwürfe zusammen, die heute laut Deutschverzeichnis bekannt sind, so kommt man auf nicht weniger als 77 Werke, die uns vorliegen. Die meisten entstanden in der Jugend Schuberts. Allein 66 Kompositionen in der Zeit zwischen 1811 und 1817. In dieser Zeit war Schubert zwischen 14 und 20 Jahre alt. Darunter finden sich so herrliche Stücke wie Gruppe aus dem Tartarus, Der Taucher, Sehnsucht, Die Götter Griechenlands oder Der Pilgrim.

Schubert schrieb am  31. März 1824 einen Brief an Leopold Kupelwieser, der zu dieser Zeit eine Reise nach Italien unternahm. Vielleicht entspringt das folgende Zitat aus diesem Brief der frühen Begeisterung Schuberts und seines Freundeskreises für Schillers Ideen zu ästhetischen Erziehung des Menschen. Schubert schreibt:

Eine Schönheit soll den Menschen durch das ganze Leben begeistern – wahr ist es – doch soll der Schimmer dieser Begeisterung alles andere erhellen. 2.1

Das Lied Der Alpenjäger wurde zum ersten Mal am 10. April 1825 durch den Tenor Ludwig Tietze gesungen im Musikverein Wien, . 

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Die Veröffentlichung besorgte 1825 Cappi & Co. in Wien als Opus 37 - 2 | Verlagsnummer 71

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 37 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 28. Februar 1825 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 05 № 332
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 02

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