Im Freien

D 871 Opus 80 - 3

Johann Gabriel Seidl 1804 - 1875

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Holger Berndsen - Klavier

Aufnahme: Samstag, 26. August 2023 | Nürnberg

Liedtext

Draussen in der weiten Nacht
Steh' ich wieder nun:
Ihre helle Sternenpracht
Läßt mein Herz nicht ruhn!

Tausend Arme winken mir
Süßbegehrend zu,
Tausend Stimmen rufen hier:
»Grüß dich, [Schwärmer{Schubert: Trauter}], du!«

O ich weiß auch, was mich zieht,
Weiß auch, was mich ruft,
Was wie [Freundesgruß{Schubert: Freundes Gruß}] und Lied
Locket durch die Luft.

Siehst du dort das Hüttchen stehn, 
Drauf der Mondschein ruht?
Durch die blanken Scheiben sehn
Augen, die mir gut!

Siehst du dort das Haus am Bach,
Das der Mond bescheint?
Unter seinem trauten Dach
Schläft mein liebster Freund.

Siehst du jenen Baum, der voll
Silberflocken flimmt?
O wie oft mein Busen schwoll,
Froher dort gestimmt!

Jedes Plätzchen, das mir winkt,
Ist ein lieber Platz;
Und wohin ein Strahl nur sinkt,
Lockt ein theurer Schatz.

Drum auch winkt mir's überall
So begehrend hier,
Drum auch ruft es, wie der Schall
Trauter Liebe mir.

Johann Gabriel Seidl
Portrait ca. 1870 von Karl von Jagemann
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

Zum Text

Im Zusammenhang mit dem Namen Seidl muss der Name Ludlamshöhle fallen. Unter den Mitgliedern dieser "Unsinnsgesellschaft" finden sich, was nicht weiter verwundert, etliche Persönlichkeiten, die ebenfalls dem Freundeskreis angehörten, der sich um Franz Schubert bildete.1.1

Johann Gabriel Seidl trug den Ludlamsnamen – Zweipfiff, der Sizilianer
(wobei Zweippfiff sich auf die in Wien übliche Verwendung des Namens Seidel als Volumenmaß für Getränke bezieht, der Beiname Sizilianer wohl auf die von Seidl in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode ab 1823 veröffentlichten Sicilianen)

Das Gedicht Im Freien von Johann Gabriel Seidl wurde veröffentlicht im Jahr 1826 in Lieder der Nacht. Elegien aus Alfons von Lamartine. Die Deutung. Von Johann Gabriel Seidl. Es findet sich auf Seite 45f..

Digitalisat online

Zur Musik

Komponiert: März 1826
Veröffentlichung (angezeigt): 25. Mai 1827
Originaltonart:  Es - Dur
Liedform: durchkomponiert
Aufnahmetonart:  Des - Dur
Schuberts Wohnort 1826

Schubert und Seidl sind sich ab 1824 mehrfach begegnet. 1826 hatte Schubert einige Gedichte Seidls vertont, doch am 4. August 1828 schrieb er an den Dichter (der ihm offenbar weitere Gedichte zur Vertonung hatte zukommen lassen): 

"Geehrtester H. Gabriel! Beiliegend sende ich Ihnen diese Gedichte zurück, an welchen ich durchaus nichts Dichterisches noch für Musik Brauchbares entdecken konnte."

Trotz alledem vertonte Schubert auch noch 1828 einige Gedichte Seidls und auch das letzte von ihm komponierte Lied Die Taubenpost D 965A stammt von diesem Dichter.

Insgesamt vertonte insgesamt 15 Gedichte von Seidl. 11 davon sind Lieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung:

Die Unterscheidung D 866
Bei dir allein D 866
Die Männer sind méchant D 866
Irdisches Glück D 866
Wiegenlied D 867
Der Wanderer an den Mond D 870
Das Zügenglöcklein D 871
Am Fenster D 878
Sehnsucht D 879
Im Freien D 880
Die Taubenpost D 965A

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Wienbibliothek im Rathaus der Stadt Wien

Die Veröffentlichung besorgte 1827 Tobias Haslinger in Wien als Opus 80 - 3 | Verlagsnummer 5028

Berliner Allgemeine musikalische Zeitung 5. Jhg. 1828, Ausgabe vom 14. Mai 3.1

Der Wanderer an den Mond. Das Ziegen­glöcklein (sic!). Im Freien. Gedichte von Seidl. In Musik gesetz für eine Sing­stimme mit Begleitung des Pianoforte. –
von Franz Schubert. Werk 80. Wien bei Haslinger.
Trefflich ist im ersten Lied die Sehnsucht des Wanderes nach seiner entfernten Heimath durch die Tonart G-moll, und die stete Bewe­gung des Fortschreitens durch auf und absteigende
Intervalle in Achteln ausgedrückt. Von er­greifender Wirkung ist der Eintritt des G-dur bei den Worten: „Du (der Mond) aber wanderst auf und ab.“
„Das Ziedenglöcklein(sic!)“ ist so durchaus schön komponirt, dass wir es wohl würdig hielten, das Produkt eines Beethovens zu sein.
Das Lied: „Im Freien“ gehört unter die Lie­der des Herrn Schubert, von denen man mit Recht sagt: sie wären zu gut; da aber zu gut, nicht mehr gut ist; so können uns auch über­triebene Lieder, wie das hier angezeigte, nicht zufrieden stellen. Der Hauptfehler liegt in der dominirenden Begleitung des Pianoforte, die den Gesang zurük im Schatten drängt. Bei Gesang­stücken wird dieses Verfahren stets getadelt; wie viel mehr aber ist es bei Liedern zu miss­billigen, wo die Begleitung höchstens nur den Gesang unterstützend gebraucht werden darf.

M. E.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 80 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 25. Mai 1827 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 08 № 494
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 04
Friedlaender Edition  Bd. 3 » 39

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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