Heliopolis I

D 753 Opus 65 - 3

Johann Baptist Mayrhofer 1787 - 1836

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Boris Cepeda - Klavier

Aufnahme: Dienstag, 16. Dezember 2008 | Berlin

Liedtext

Im kalten, rauhen Norden
Ist Kunde mir geworden
Von [einer{Schubert; Mayrhofer's Manuskript: einer Stadt, der}] Sonnenstadt.
Wo weilt das Schiff, wo [winkt{Schubert; Mayrhofer's Manuskript: ist}] der Pfad,
Die mich zu [ihren{Schubert: jenen}] Hallen tragen?
Von Menschen konnt' ich nichts erfragen, -
Im Zwiespalt waren sie [verloren{Schubert; Mayrhofer's Manuskript: verworren}].
Zur Blume, die sich Helios erkoren,
Die ewig in sein Antlitz blickt,
Wandt' ich mich nun, - und ward entzückt:

»Wende, so wie ich, zur Sonne
Deine [Blicke{Schubert; Mayrhofer's Manuskript: Augen}]! Dort ist Wonne,
Dort ist Leben;
Treu ergeben,
Pilg're zu, und zweifle nicht;
Ruhe findest du im Licht;
Licht erzeuget alle Gluten, -
Hoffnungspflanzen, Thatenfluten!«

Johann Baptist Mayrhofer
Ergänzte Fotografie nach der Sepiazeichnung in Schwinds 'Schubertabend'
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

Zum Text

Das Gedicht Aus Heliopolis wurde 1843 in einem von Ernst Freiherr v. Feuchtersleben in Wien beim Verlag Ignaz Klang herausgegebenen Gedichtband Mayrhofers (neue Fassung) veröffentlicht. Ein Digitalisat dieser Erstausgabe der Gedichte Mayrhofers findet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek. Es kann online studiert werden. Das Gedicht findet sich auf Seite 195 und trägt eine "Widmung": 1.1

Heliopolis
An Franz v. Schober
Ein altes Thema, vorgetragen
In grauen Zeiten, lass uns variieren!
Wir dürfen, wenn wir auch Ikarisiren -
Uns öfters noch zur Sonne wagen!
1821.

Der Freundeskreis um Schubert kommunizierte auch über Gedichte miteinander. Schober veröffentlichte 1842 nach dem Tode Mayrhofers ein Sonett auf den Dichter. Es findet sich auf S. 195 des in der Cotta’schen Buchhandlung Tübingen erschienenen Gedichtbandes. Ein Digitalisat dieser Ausgabe ist auf den Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek online verfügbar.

"Ikarisiren" geht auf Ikarus zurück, der, nicht den Rat seines Vater befolgend, mit seinen Flügeln aus Wachs zu hoch zur Sonne aufsteigend, ins Meer stürzte und starb.

Auf der Seite lieder.net kann man nachlesen, dass Schubert die Gedichte Mayrhofer's üblicherweise als Handschrift erhielt. Der Zyklus Heliopolis, gewidmet an Franz von Schober, liegt als Manuskript in der Wienbibliothek am Rathaus.

Das Gedicht Im Hochgebirge, sowie die Vertonung desselben unter dem Titel Heliopolis II können hier ebenfalls angehört werden und sind meiner Meinung nach untrennbar inhaltlich miteinander verbunden.

Zur Musik

Komponiert: April 1822
Veröffentlichung (angezeigt): 24. November 1826
Originaltonart:  E - Dur
Liedform: durchkomponiert
Aufnahmetonart:  C - Dur
Schuberts Wohnort 1822

Mayrhofer war ein enger Freund Franz Schuberts und wohnte drei Jahre von 1819-1821 gemeinsam mit ihm in einer Wohngemeinschaft. Er schreibt am 23. Februar 1829 im Neuen Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst in seinen Erinnerungen an Franz Schubert:

"Mein Verhältniß mit Franz Schubert wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund das Gedicht „am See" – es ist das vierte in dem bei Volke 1824 erschienenen Bändchen – zur Komposition übergab. An des Freundes Hand betrat 1814 Schubert das Zimmer, welches wir 5 Jahre später gemeinsam bewohnen sollten. Es befindet sich in der Wipplingerstraße (heute Nr.2).
(...)
Dieses Grundgefühl, und die Liebe für Dichtung und Tonkunſt machten unser Verhältniß inniger; ich dichtete,er komponierte, was ich gedichtet, und wovon Vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankt." 2.1

Dieser engen Beziehung verdanken wir 47 Gedichtvertonungen durch Schubert.

Im Gegensatz zu den vielen andern Liedern Schuberts, die mit einem vergleichsweise kleinen Stimmumfang ohne Probleme zu bewältigen sind, beginnt dieses Lied in tiefer Lage der Gesangsstimme und schwingt sich zum Ende hin immmer höher gen "Licht". Fast scheint es, als würde die Stimme des Sänger erblinden beim Blick in die ewige Sonnenhelle.

Schubert war 25 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts:

Die Veröffentlichung besorgte 1826 Cappi & Czerny in Wien als Opus 65 - 3 | Verlagsnummer 221

Der zweite Teil des Manuskripts ist in der Österreichischen Nationalbibliothek online verfügbar.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 65 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 24. November 1826 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 07 № 404
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 03
Friedlaender Edition  Bd. 3 » 34
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 2 » 156

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
Zurück zu den Liedern