Noch ein Lebenslauf von Schubert? Nein, nicht wirklich!

Wer einen vernünftigen Überblick über Schubert haben möchte, sollte auf Wikipedia.org den Artikel zu seinem Leben in einer der über 120 Sprachen abrufen.

Also kein Lebenslauf, oder doch? Vielleicht gehen wir die Sache einmal anders an... 

Am Abend des 31. Jänner 1797 sang der (wenn man den Biografen glauben darf) seit 1794 am k.k. Hoftheater am Kärtnertor in Wien engagierte Bariton Johann Michael Vogl, der sich später maßgeblich für den an diesem Tag geborenen Schubert und seine Musik einsetzte, das Singspiel »LA PIETRA SIMPATICA Der sympathetische Stein«, ein komisches Singspiel in drei Aufzügen. Die Musik war von Silvestro di Palma, einem neapolitanischen Kapellmeister. Vogl (bis 1809 noch als Vogel auf  den Programmzetteln der Hofoper, danach als Vogl) sang den "Conrad".

Während also diese Oper (die heute ebenso wie den Komponisten niemand mehr kennt) im angesagtesten Opernhaus der Zeit aufgeführt wurde, kam gerade ein musikalisches Genie in unsere Welt, von dem niemand Notiz nahm. Kein Engel erschien den Hirten und auch keine einziger König machte sich auf den Weg nach Wien, um die Ankunft zu begrüßen.

Die Stube (eine sogenannte Rauchküche), in der Schubert am Himmelpfortgrund das Licht der Welt erblickte, war eng. Und sowohl in der Wohnung, als auch im Hof war neben alltäglichen Geräuschen auf jeden Fall Kindergeschrei zu hören, denn allein Franz Schubert hatte zu diesem Zeitpunkt vier ältere Geschwister. Alle schliefen in einem Zimmer, vermutlich sogar in einem Bett. Vater Schubert berichtet von einem Alkoven, in dem ihm seine vierzehn(sic!) Kinder geboren wurden. (O.E. Deutsch - Schubert, die Erinnerungen seiner Freunde S. 174) Und dann waren ja da auch noch die Schulkinder, die Vater Schubert unterrichtete.
Laut Taufbuch kamen in diesem Haus allerdings nur zwölf Kinder zur Welt, wovon Schubert das zehnte war. Zwei Kinder wurden vor dem Umzug der Familie in den Himmelpfortgrund 42 geboren und Elisabeth Vietz hatte außerdem noch ein uneheliches Kind bevor sie mit dem Vater Schuberts verheiratet war.

Es wurde unfassbar viel gestorben zu dieser Zeit. Von den 12 Kindern, denen Elisabeth Schubert(geb. Vietz) VOR Franz Schubert das Leben geschenkt hatte, waren 8 bereits nach wenigen Monaten (manche nach wenigen Tagen) nicht mehr am Leben, ein weiterer Bruder, der immerhin 5 Jahre alt wurde, starb, als Schubert gerade  einmal ein Jahr alt war.

Die meisten wurden in der Lichtentaler Pfarrkirche getauft und eingesegnet. Man kann die Kirche heute noch besuchen und die Matrikel(Kirchenbücher) findet man alle auf Matricula online.
Einen Stammbaum und die dazugehörigen Links zu den Kirchbucheinträgen findet man hier. (In Vorbereitung)

Diese Kirche war es auch, in der Schubert seine ersten musikalischen Erfolge feierte und in der überhaupt seine Begabung zuerst gefördert wurde.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie bereits die Wohnung gewechselt und nur ein paar Häuser weiter, aber mit erheblich mehr Platz, begann sicherlich für alle ein bequemlicheres Leben als zuvor am Himmelpfortgrund.

Von der alten, wie auch von der neuen Wohnung zur Kirche muss man auch heute noch über die Himmelpfortstiege einen Höhenunterschied von etwa 10 Metern überwinden. Da ging es vermutlich leichten Schrittes bergab zur Kirche und langsamer wieder zurück.

Welche Kleidung trug man damals? Wie ist Schubert vermutlich herumgelaufen?
Diese Frage kann man leicht beantworten. Denn abgesehen von den Schubert-Portraits, die den Kennern unter Ihnen sicherlich hie und da schon unter die Augen gekommen sind, malte der k.k. Hofmaler Sigmund von Perger 1820 eine Serie von »Wiener Scenen aus dem gemeinen Leben nach der Natur gezeichnet«, die uns einen Eindruck von Farben und Sitten der Zeit ermöglichen.

Hier sehen Sie eines dieser Bilder. noch mehr finden Sie auf Wien Museum Online Sammlung unter den Stichworten »Perger« und »Wiener Scenen«.

Schubert wurde in eine Zeit hineingeboren, in der die Hüte der Männer hoch und die Röcke der Frauen lang waren. Aber anstatt sich mit den modischen Trends herumzuschlagen, verbrachte er die meiste Zeit in seiner eigenen musikalischen Welt.

Aber wie war er selbst gekleidet? Nun, glaubt man seinen Freunden, so war Schubert tatsächlich sein Äußeres nicht sehr wichtig. Anselm Hüttenbrenner schreibt:

"Er vernachlässigte seinen Anzug, besonders die Zähne, roch stark nach Tabak, war sonach zu einem Kurmacher gar nicht qualifiziert und auch nicht salonfähig, wie man sagt." 1.1

Er hatte eine schöne Stimme. Deshalb wurde er als Sängerknabe in die Wiener Hofmusikkapelle und in das kaiserliche Konvikt aufgenommen. Dort traf er auf viele Freunde, mit denen er sein ganzes Leben lang in Kontakt blieb.

Mit dieser Schicksalsfügung war der Weg beschritten, aus dem Vorort, in dem er zuhause war, den Sprung ins große Wien - in die Gesellschaft zu machen.
Hier wurden vor allem die soliden Grundlagen gelegt für seine Laufbahn als Komponist. Denn Schubert lernte natürlich als Geiger im Orchester alle gängigen Stücke Mozarts, Haydns und vieler heute unbekannter Komponisten kennen, ebenso die seiner Lehrer Wenzel Ruzicka und später Antonio Salieri.

Bereits aus dem Jahr 1810 liegt uns ein Manuskript Schuberts vor.
Als 13jähriger sah seine Handschrift so aus, wie diese Fantasie in G zu 4 Händen, die er von 8. April bis 1. Mai aufs Papier brachte und die im Deutschverzeichnis die Nummer 1 trägt.

Der Vater indes hatte sicher andere Pläne für seinen Sohn, als dass dieser als Künstler sein Leben verbringen solle. Nach seinem Wille sollte er ebenfalls Lehrer werden und natürlich musste Schubert als junger Mann auch finanziell auf eigene Füßen gestellt werden. Dazu kam die Verpflichtung zum Dienst im Heer, der er ebenfalls durch den Schuldienst entkommen konnte. Seine Kompositionen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verlegt und so übernahm Schubert im Alter von 17 Jahren Ende 1814 eine Stelle als Schulgehilfe seines Vaters.

Obwohl er diese Stelle zwei Jahre inne hatte, waren gerade die beiden folgenden Jahre extrem produktiv als Komponist. Es war fast, als wolle sich Schubert herauskomponieren aus der Enge und den Zwängen des Schulhauses.
Vielleicht war aber auch die Flucht in die Musik eine Möglichkeit, dem eintönigen Alltag zu entfliehen.

1814 schrieb er die Messe in F, welche am 16. Oktober 1814 unter seiner eigenen Leitung in der Lichtentaler Pfarrkirche zur Aufführung kam. Es war die erste öffentliche Aufführung eines Schubert-Werkes.
Therese Grob, eine gute Freundin von Schubert sang in dieser Messe das Sopransolo, sein Bruder Ferdinand war der Organist und Regens chori war sein erster musikalischer Lehrer Michael Holzer. Sein Orchester bestand aus lauter Freunden. Einen besserer Einstand kann ein Musiker nicht haben. 

Sein Vater soll so gerührt gewesen sein von dieser Auführung, dass er ihm ein fünf-oktaviges Klavier schenkte. Dies alles berichtet uns sein Bruder Ferdinand am 26. April 1839 in der Neuen Zeitschrift für Musik, herausgegeben von Robert Schumann.

Am 23.04.1814 hört Schubert Beethovens Fidelio im k.k Hoftheater am Kärtnertor mit oben genanntem Bariton Vogl als Pizzarro.  Moritz v. Schwind will sich laut Ludwig Nohl (Beethoven's Leben S. 569) erinnert haben, dass Schubert damals seine Schulbücher im Antiquariat verkaufte, um ein Billet für den Fidelio zu erstehen. Allerdings kannten sich Schwind und Schubert damals noch gar nicht.

(wird fortgesetzt)